Schweigen ist kein Konzept

Warum die demokratischen Parteien endlich lernen müssen, der AfD gemeinsam zu begegnen.

Von Seggy
Ein Kommentar in RELATION: Politik & Gesellschaft

Es ist ein leises, aber permanentes Ärgernis unserer Gegenwart: Die demokratischen Parteien in Deutschland – CDU, SPD, Grüne und selbst die Linke – lassen die AfD zu oft gewähren. Man schaut hin, schüttelt den Kopf, empört sich, und geht dann zur Tagesordnung über. Währenddessen füllt die AfD das Schweigen mit Lärm.

Seit Jahren gelingt es den etablierten Parteien nicht, die populistische Rechte faktisch zu stellen – also nicht nur moralisch zu verurteilen, sondern argumentativ, inhaltlich, öffentlich.
Das ist mehr als ein taktisches Versäumnis. Es ist ein Verlust an Glaubwürdigkeit.

Denn die AfD lebt nicht von Wahrheit, sondern von Wiederholung. Ihre Schlagworte – „Systemparteien“, „Meinungsdiktatur“, „Migrationschaos“ – wirken wie Viruspartikel, die sich dort einnisten, wo keine Aufklärung stattfindet.
Und zu oft überlassen die demokratischen Kräfte ihr das Feld: aus Angst, aus Trägheit, aus Selbstbeschäftigung.

Ein demokratisches „Kampa“

Was es bräuchte, ist kein weiteres Empörungsritual, sondern eine konzertierte, überparteiliche Aktion der Aufklärung.
Eine Art demokratisches Kampa – benannt nach den Wahlkampfzentralen vergangener Jahre, diesmal jedoch nicht für Parteien, sondern für die Demokratie selbst.

Ein gemeinsames Backoffice aller demokratischen Parteien – von CDU bis Linke –, das Fake News der AfD systematisch überprüft, entlarvt und öffentlich widerlegt.
Unterstützt von Faktenportalen wie Correctiv, von Wissenschaftler:innen, Journalist:innen und Menschen, die politisch nicht um Mandate, sondern um Wahrhaftigkeit kämpfen.

Denn das Problem liegt längst nicht mehr in der Existenz der AfD – sondern in der sprachlosen Defensive jener, die ihr etwas entgegensetzen könnten.
Man überlässt den Populisten Talkshows, Kommentarspalten und digitale Echokammern – und wundert sich, dass sie dort die Deutungshoheit übernehmen.

Widerlegen statt wundern

Was fehlt, sind eloquente Persönlichkeiten, die sich mit der AfD sachlich, ruhig und faktenbasiert auseinandersetzen – ohne moralische Überhöhung, ohne karrieristische Motive.
Menschen, die zuhören können, bevor sie widersprechen.
Menschen, die mit Haltung sprechen, statt mit Empörung zu gestikulieren.

Demokratische Glaubwürdigkeit entsteht nicht durch Abgrenzung, sondern durch Argument.
Wer der AfD wirklich entgegentreten will, muss sie inhaltlich stellen – immer, überall, unermüdlich.

Ein gemeinsamer Auftrag

Diese Aufgabe darf keine Partei für sich beanspruchen. Sie ist überparteilich, so wie die Demokratie selbst über Parteien hinausgeht.
Ein gemeinsamer Faktenpool, ein öffentliches Netzwerk der Aufklärung, eine Allianz gegen gezielte Desinformation – das wäre ein Anfang.

Nicht aus Angst vor Stimmenverlust, sondern aus Verantwortungsbewusstsein.
Denn Demokratie ist kein Besitzstand, sie ist ein ständiger Prozess der Selbstverteidigung durch Vernunft.

Wenn die demokratischen Parteien diesen Prozess nicht selbst gestalten, wird ihn jemand anderes übernehmen – laut, effektiv und gefährlich.

Worte sind Waffen – und Schutz zugleich

Schweigen ist kein Konzept.
Es ist Bequemlichkeit, getarnt als Toleranz.
Und genau daraus zieht die AfD ihre Kraft.

Es wird Zeit, dass die demokratischen Parteien begreifen:
Nur wer spricht, kann verstanden werden.
Und nur wer widerspricht, kann verteidigen, was verteidigt werden muss.

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Im Geiste von 1605 – für die Öffentlichkeit von heute.

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